Alle paar Wochen stelle ich einen Klassiker vor. Hier eine Doku, die es sogar bis nach Hollywood schaffte und gewann.
Der Film von James Marsh basiert auf dem Buch "To reach the clouds" (aktueller Titel: "Man on Wire"), das der Hochseilartist Philippe Petit selbst schrieb.
Es ist der siebte August 1974, als einige New Yorker erst verwundert empor blicken und dann die Luft anhalten:
zwischen den Twin Towers des World Trade Center balanciert ein schmächtiger Mann auf einem Seil....
27.03.2012
17.03.2012
20 Filme, ein Bundesland: Doku-Spass vom rbb
Vier Drehtage, eine Woche Schnitt. Das waren die Bedingungen für 20 Film-Teams, die im Sommer 2010 in Brandenburg ausschwärmten. Die Betreuung übernahm der Regisseur Andreas Dresen.
Dabei heraus gekommen sind 20 Dokumentarfilme, die der rbb bis zum 30.3. täglich ausstrahlt.
Von amüsant, putzig, bewegend, authentisch bis nachdenklich ist alles dabei.
Diese Dokureihe liefert den Beweis: Brandenboorg kann mehr .
Im "Icke"-Land an der Havel da blüht das Leben, wa!
gibt's natürlich auch als DVD!
http://www.20xbrandenburg.de/
Hier exemplarisch die Filme "Turnier Tango - Phöben".
(der zeigt: es ist nicht alles nur Lidl und Schlecker...)
Dabei heraus gekommen sind 20 Dokumentarfilme, die der rbb bis zum 30.3. täglich ausstrahlt.
Von amüsant, putzig, bewegend, authentisch bis nachdenklich ist alles dabei.
Diese Dokureihe liefert den Beweis: Brandenboorg kann mehr .
Im "Icke"-Land an der Havel da blüht das Leben, wa!
gibt's natürlich auch als DVD!
http://www.20xbrandenburg.de/
Hier exemplarisch die Filme "Turnier Tango - Phöben".
(der zeigt: es ist nicht alles nur Lidl und Schlecker...)
und: "Der Landpfarrer - Friedrichswalde"
10.03.2012
Ein Kapitän versenkt sein Schiff - Der Untergang der "Admiral Graf Spee"
Sie war das beeindruckenste Panzerschiff der deutschen Marine: die "Admiral Graf Spee" lief 1939 in Wilhelmshaven vom Stapel.
Wenig später zog ihr Kapitän, ein Mann von Welt, für die Nazis in den Krieg. Pfarrer wollte er eigentlich werden. Dann entschied sich Hans Langdorff, sehr zum Leid seiner Familie, für die Marine. Besonders der englischen Flotte fügten seine Angriffe hohe Verluste zu. Die "Graf Spee" war gefürchtet: sie feuerte Torpedos von einer nie da gewesenen Schlagkraft ab.
Von Deutschland geht es über den Atlantik nach Südamerika. Vor der Küste Uruguays liefert sich Langdorff mit drei englischen Schiffen eine verheerende Schlacht. Schwer angeschlagen steuert die Graf Spee in den Hafen von Montevideo.
Doch Langdorff tappt, ohne es zu wissen, in eine diplomatische Falle. Die Meldung, er müsse den Hafen innerhalb von drei Tagen wieder verlassen, nimmt er schockiert zur Kenntnis.
Denn vor dem Hafen warten bereits die gegnerischen Schiffe. Das Leben seiner gesamten Besatzung steht auf dem Spiel.
Eingekesselt von englischen Schlachtschiffen und ungeachtet der Befehle der Nazis sah der Offizier jetzt nur einen Ausweg.
Am 17. Dezember 1939 lässt er seine Mannschaft in Beibooten von Bord und versenkt die "Graf Spee" vor den Augen tausender Schaulustiger in den Rio de la Plata. Wieder an Land, führt der Kommandant seine Mannschaft nach Buenos Aires, hält eine letzte Rede und erschiesst sich auf der Flagge seines Schiffes.
"Tausend Menschen verdanken Langdorff ihr Leben" - so das Resumé seines Gefährten.
Die Doku zitiert auch aus dem Abschiedsbrief, den der Offizier seiner Familie schrieb. Seine Tochter hatte ihn 66 Jahre geheim gehalten, sogar vor ihren Kindern. Die Autoren begleiten schließlich einige in die Jahre gekommene Herren der damaligen englischen und deutschen Marine zu einer gemeinsamen Gedenkfeier auf einen Ehrenfriedhof in Uruguay.
Es existieren einige Dokus über das Schicksal des Kapitäns und seiner "Graf Spee", auch von der BBC.
Hier eine, die ich empfehlen kann. In 4 Teilen bei youtube zu sehen
HEUTE:
Heute streiten sich Bergungsfirmen um die Nazi-Reliquien. Für einen tonnenschweren Bronzeadler bot ein Unbekannter 3 Millionen Dollar...
http://www.sueddeutsche.de/panorama/nazi-schiff-admiral-graf-spee-schlamm-drueber-1.102353
Wenig später zog ihr Kapitän, ein Mann von Welt, für die Nazis in den Krieg. Pfarrer wollte er eigentlich werden. Dann entschied sich Hans Langdorff, sehr zum Leid seiner Familie, für die Marine. Besonders der englischen Flotte fügten seine Angriffe hohe Verluste zu. Die "Graf Spee" war gefürchtet: sie feuerte Torpedos von einer nie da gewesenen Schlagkraft ab.
Von Deutschland geht es über den Atlantik nach Südamerika. Vor der Küste Uruguays liefert sich Langdorff mit drei englischen Schiffen eine verheerende Schlacht. Schwer angeschlagen steuert die Graf Spee in den Hafen von Montevideo.
Doch Langdorff tappt, ohne es zu wissen, in eine diplomatische Falle. Die Meldung, er müsse den Hafen innerhalb von drei Tagen wieder verlassen, nimmt er schockiert zur Kenntnis.
Denn vor dem Hafen warten bereits die gegnerischen Schiffe. Das Leben seiner gesamten Besatzung steht auf dem Spiel.
Eingekesselt von englischen Schlachtschiffen und ungeachtet der Befehle der Nazis sah der Offizier jetzt nur einen Ausweg.
Am 17. Dezember 1939 lässt er seine Mannschaft in Beibooten von Bord und versenkt die "Graf Spee" vor den Augen tausender Schaulustiger in den Rio de la Plata. Wieder an Land, führt der Kommandant seine Mannschaft nach Buenos Aires, hält eine letzte Rede und erschiesst sich auf der Flagge seines Schiffes.
"Tausend Menschen verdanken Langdorff ihr Leben" - so das Resumé seines Gefährten.
Die Doku zitiert auch aus dem Abschiedsbrief, den der Offizier seiner Familie schrieb. Seine Tochter hatte ihn 66 Jahre geheim gehalten, sogar vor ihren Kindern. Die Autoren begleiten schließlich einige in die Jahre gekommene Herren der damaligen englischen und deutschen Marine zu einer gemeinsamen Gedenkfeier auf einen Ehrenfriedhof in Uruguay.
Es existieren einige Dokus über das Schicksal des Kapitäns und seiner "Graf Spee", auch von der BBC.
Hier eine, die ich empfehlen kann. In 4 Teilen bei youtube zu sehen
"2. Weltkrieg - Die Schicksalsfahrt der Graf Spee"
HEUTE:
Heute streiten sich Bergungsfirmen um die Nazi-Reliquien. Für einen tonnenschweren Bronzeadler bot ein Unbekannter 3 Millionen Dollar...
http://www.sueddeutsche.de/panorama/nazi-schiff-admiral-graf-spee-schlamm-drueber-1.102353
07.03.2012
Desaparecidos en Argentina: Los Oesterheld - TRAILER
un film de Silke König
HD
THE DEVIL'S MINER (2004)
eine bewegende Doku von Kief Davidson, Richard Ladkani. Zu Recht zwölfmal mit internationalen Filmpreisen ausgezeichnet, Kinostart in Deutschland war 2005.
Unten mehr über die Minenkinder und den "Berg des Teufels" in Potosí, Bolivia.
http://www.thedevilsminer.com/index_new.html
400 Jahre Schwefel, Staub, Schweiß und Tod: Die Minen von Potosí
von S. König
Im Oktober 2010 blickte die Welt gespannt auf einen Berg in der Atacamawüste. Mit imposantem Druck fräst sich dort ein Stahlbohrer ins Gestein. Eine raketenförmige Kapsel will man hinablassen und 33 verunglückte Minenarbeiter ans Tageslicht zurück holen. Lange ist nicht klar, ob der Bohrer überhaupt zum Schutzraum in 700 Metern Tiefe vordringen kann.
Draußen vor dem Berg spielen sich bewegende Szenen ab. Rund 3000 Menschen warten da. Sie weinen, singen, recken Fäuste in die Luft und rufen nationale Parolen. Wie einen Triumph feiert die Menge, unter ihnen der chilenische Präsident Sebastian Piñera, jede einzelne der mühsamen Bergungen. Die Geretteten sind jetzt Helden, ausgestattet mit UV-dichten Oakley Sonnenbrillen, gesponsort aus den USA. Das Geschäft mit der Katastrophe beginnt schon vor der Rettung. Reporter aus aller Welt erhoffen sich ein Interview, an den Fernsehbildschirmen verfolgen Millionen Zuschauer das Wiedersehen der Familien. Auch das Bergbauunternehmen achtet nicht aufs Bankkonto, wenn es um das Wohl der eigenen Belegschaft geht. So scheint es zumindest auf den ersten Blick. Doch schnell wird klar, dass die jetzt offiziell insolvente Firma das 14,5 Millionen Euro teure Rettungsmanöver nur bezahlte, weil die Welt zusah. Eigentlich ist die Realität in Potosí eine ganz andere. Ohne Medienvertreter vor Ort kümmert sich kaum jemand um das Wohlergehen der Bergleute. In Chiles Nachbarland berichten Mineros von fehlender Schutzkleidung, giftigen Dämpfen und tausenden Toten. 4200 Meter über dem Meeresspiegel liegt die berüchtigste aller Minen. Es ist die Silbermine von Potosí, der höchst gelegenen Stadt der Erde. Einst Synonym für Dekadenz und Wohlstand symbolisiert die „Mine des Teufels“ heute Schwefel, Staub, Schweiß und Tod. Achtzig Millionen Menschen habe der Berg bei lebendigem Leibe verschluckt, erzählt man sich.
Potosí: Einst Schatztruhe, jetzt Armenhaus
Seit über 400 Jahren befördern die Minenarbeiter in Potosí Silber, Kupfer und Zinn aus dem Cerro Rico. Erhaben ruht der Berg seit jeher über dem bolivianischen Land. Dünn ist die Luft hier oben, klar das Licht, reich an Silber das Gestein. Einst war Potosí fast so wohlhabend wie Paris, beinahe so reich wie London. Kaiser Wilhelm ernannte die Stadt 1553 zur „villa imperial“ mit kaiserlichen Wappen, die Spanier betrachteten den Ort als königliche Silbertruhe, aus der sie sich mit vollen Händen bedienten. Sie zwangen die Indios zu blutiger Zwangsarbeit, bauten mondäne Paläste, vergoldeten Kirchtürme und verlegten Pflastersteine aus echtem Silber. Im Geldrausch zog es mindestens 100.000 Abenteurer hierher. Die Stadt war berüchtigt für ein wildes Nachtleben, für unzählige Kneipen und Bordelle in prächtigen Kolonialbauten. Damals, im achtzehnten Jahrhundert, als der Berg noch nicht ausgeschlachtet und von Sprengungen durchlöchert war. Heute breitet sich, fernab vom Stadtkern, der Schatten der Berge über karge Hütten aus. Von der reichsten Silbermine der Welt sind nichts weiter als trübe Mischungen aus Zinn, Silber und Eisen geblieben, reines Edelmetall findet sich schon lange nicht mehr. Potosí zählt zu den ärmsten Regionen überhaupt. Vor allem die „Mineros“ leben, arbeiten und sterben mit dem Cerro Rico, ihr Wohlstand ist abhängig vom Bergbau und vom Tourismus. Seit Generationen glauben sie an den Tío, die Teufelsgestalt, der im Innern des Berges wohnt und über Leben und Tod bestimmt. Wird der Tío zornig, lässt er das Gestein explodieren, tötet die Mineros und isst ihre Seele.
Die Angst vor dem Tío begann, als die Spanier 1545 in Potosí einfielen. Sie schickt der Himmel, dachten die Indios über die weißen Männer, die auf Pferderücken thronten, ein Blutbad anrichteten und Befehle gaben. Doch das, was die neuen Herrscher von ihnen verlangten, die schwere Arbeit in der Dunkelheit des Berges, war ihnen ein Graus. Sie wollten nicht in der Tiefe ihres Berges schuften, den sie ehrfurchtsvoll Sumaj Orcko, Majestätischer Berg, nannten. Zwanzig Stunden Zwangsarbeit mit bloßen Händen, zwischen giftigen Dämpfen, ohne den Anblick der Sonne und der Wolken, Staub, Hitze und Durst ließen die Hochlandbewohner zu Tausenden sterben. Um Druck auszuüben zeigten die Spanier ihnen eine Figur mit einem Teufelsgesicht, den angeblichen Herrscher des Cerro Rico, und drohten mit der Rache des Dämons. Dieser Gott werde jeden bestrafen, der sich bei der Verrichtung der Arbeit nicht anstrenge. Aus Díos, spanisch für Gott, wurde „Tío“, und aus dem Cerro Rico ein tödliches Schicksal. Achtzig Jahre später bekam der Berg einen neunen Namen: Wuila Ckollo. Bluthügel.
Potosí um 1900: "Zinnbarone" im Silberrausch
Mit dem Silber, das die Mine seit ihrer Entdeckung schon abgeworfen hat, könnte man eine silberne Brücke von Bolivien bis nach Spanien bauen, erzählt man sich. Besonders drei Geschäftsmänner erlangten in der Blütezeit des Handels Berühmtheit. Sie verdienten nach der Unabhängigkeitserklärung Boliviens, 1825, mit den metallenen Adern Millionen. „Zinnbaronen“ nannte man den Chilenen Mauricio Hoschild, den aristokratischen Bolivianer Carlos Armayo und den ehemaligen Minenarbeiter Simon Patino. Zusammen besaßen sie mehr Geld als die bolivianische Regierung jemals zur Verfügung hatte. Von ihrem Gewinn blieb im Landesinneren nur einen lächerlicher Kleinstbetrag, lieber schafften sie ihr Geld ins Ausland. Hoschilds verlegte den Sitz seiner Firma nach Chile, Patinos in die USA und Armayo verwaltete sein Vermögen in der Schweiz. Fünfzig Dolllar Miete zahlte Patino an die bolivianische Regierung pro Jahr, Aramayo zahlte 22 Dollar, Hoschild nichts. In ihren üppig ausgestatteten Anwesen speisten Könige und Staatsoberhäupter, der bolivianische Kanzler erhielt traditionsgemäß ein staatliches Monatsgehalt von den Minenbesitzern. Märchenhaft sollen die goldenen Zeiten vor allem für diese drei Minenbesitzer gewesen sein.
Die Minenkinder: Schwerstarbeit für Hungerslöhne
Am Rhythmus des Lebens hat für die einfachen Arbeiter sich seitdem wenig verändert in Potosí. Sie stehen auf im Schatten des Berges, steigen hinab in seine Dunkelheit, schuften schwer in Staub und Enge, kauen Kokablätter und beten, dass der Tío sie mit tödlichen Explosionen verschonen möge. Noch heute ist der Mythos allgegenwärtig, an allen 3000 Mineneingängen lauert die Tonfigur des Teufels und macht vor allem den Kleinsten Angst. Auch wenn sie gesagt kriegen, dass der Tío sie beschützt und nur die bestraft, die nicht gut aufpassen. Über zweitausend Kinder arbeiten für drei, maximal fünf Euro Tagesgeld in Potosís Minen. Auf tonnenschweren Loren hieven sie von acht Uhr früh bis fünf Uhr nachmittags Mineral aus der Mine, beladen Körbe mit Geröll oder bereiten Dynamit für die Sprengung der Bergwand vor. Einstürze, Explosionen, Vergiftung mit Schwermetallen und verseuchtes Wasser vermindern die Lebenserwartung der Kinder auf durchschnittlich zehn Jahre ab dem Zeitpunkt des ersten Arbeitstages. Kinderarbeit ist seit 1995 im bolivianischen Geschäftswesen zwar offiziell verboten, doch in den Tiefen des Berges herrschen andere Gesetze.
Noch nicht einmal vor den Touristen, die seit einigen Jahren einen Teil der Stollen besichtigen, verstecken die Bergbaugesellschaften ihre minderjährigen Angestellten. Geschenke sollen ihnen die Besucher mitbringen, so die Ankündigung vor der Tour. Auf dem „Mercado de los mineros“ gibt es alles, was ein Minero täglich bei sich trägt: Kokablätter, Alkohol Softdrinks, starke Zigaretten und – vor allem - Dynamit. Touristen begeistern sich für die mit Sprengstoff gefüllten Papierstangen, die es sonst nirgendwo anders auf der Welt problemlos zu kaufen gibt. Hier kriegt man sie für ein paar Cent als Urlaubsknaller - für jung und alt. Mittlerweile kommen jedes Jahr tausende Touristen nach Potosí, der Tourismussektor erwirtschaftet fünf Prozent des bolivianischen Bruttosozialprodukts und ermöglicht einigen Potosianer ein lukratives Geschäft. Die Extremerfahrung der Minenbesichtigung reizt viele Reisende, fasziniert oder schockiert, kalt lässt die Welt unter Tage sowieso niemanden. Beklemmung Hitze und Dunkelheit bringen den Besucher an körperlichen Grenzen und führen vor allem eines vor Augen: wie schön das Leben unter freiem Himmel sein kann.
Minenkinder fühlen die Beklemmung Tag für Tag. In dem klaustrophobischen Labyrinth aus Geröll und Sickwasser müssen selbst sie sich krümmen, Staub und hohe Luftfeuchtigkeit benetzen die Haut und trocknen die Kehle aus. Kokablätter kauen, das lernen sie von kleinauf. Sogar ihr Präsident Evo Morlaes empfiehlt die hier wachsenden Kokablätter als nahrhafte Volksspeise, auch für Schüler. Ob nahrhaft oder nicht, sie dahingestellt. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die enthaltenden Alkaloide Erschöpfung, Angst und Durst mindern, die Sauerstoffaufnahme des Körpers verbessern und den Körper mit Nährstoffen versorgen. Knochenarbeit lässt sich damit besser aushalten. Und der Name täuscht. Zwar enthalten die Blätter Kokain, aber nur in einem schwindend geringen Anteil. Selbst die kleinen Kinder tragen ein Tütchen mit Kokablättern bei sich. Die Arbeit ist eine Qual, die Mütter leiden, weil ihre Kinder keine andere Wahl haben. Oberhalb des Zentrums von Potosí, nahe der Mine, organisieren sich deswegen Potosís Frauen mit Hilfe mit einer internationalen Organisation, die Essen, Stipendien und Schulunterricht bietet. Ihre Hoffnung: eine Ausbildung und ein Leben jenseits der Mine.
Einmal Minero, immer Minero
Die Väter der Minenkinder konnten keine Schule besuchen. Als „Carreros“ bringen sie in drei Schichten das Mineral auf tonnenschweren Karren aus dem Inneren des Berges, bereiten als „Perforistas“ bereiten die Sprengung vor oder meißeln als „Wincheros“ Silber, Blei, Zink und Zinn aus den tiefsten Ebenen. 55 Jahre – älter wird ein Minero im Durchschnitt nicht. Siebzig Mineros sterben in bolivianischen Minen pro Jahr an den Folgen fehlender Schutzkleidung, fehlender Gasmasken oder an körperlicher Erschöpfung.
Das Einatmen von Siliziumpulver, Quecksilber-, Arsengas und Schwefeldämpfe, Höhenunterschiede, Temperaturwechsel und feuchte Luft hinterlassen gravierenden gesundheitlichen Schaden. Die meisten Mineros erkranken an der Staublungenkrankheit Silikose, einer Gewebsveränderung mit schwarzen Verfärbungen der Lunge. Wird die Krankheit nicht ausreichend behandelt, kommt es zu Atemnot und Herzbeschwerden.
Bis auf vierzig Grad heizt sich die Luft im Stollen auf, kniehoch sammelt sich an manchen Stellen das Wasser, die Wände messen weniger als einen Meter Höhe. Wegen der Hitze und der sowieso schon schlechten Luft verzichten die Männer lieber auf ein Tuch, das ihren Atemwege vor den Giftgasen schützen könnte. Gegen herunter stürzende Felsbrochen tragen sie nur einen Helm, mehr Ausrüstung stellt ihnen ihr Bergarbeitsunternehmen nicht zur Verfügung. Noch fünf bis zehn Jahre werden die Mineros Mineraladern in der berüchtigten Mine von Potosí finden können, meinen Experten. Dann ist der Berg endgültig ausgehöhlt.
Ob Potosí sich in eine gigantische Geisterstadt verwandelt und wie ihr Leben danach aussehen soll, weiß keiner so recht. Die Mineros machen erst einmal weiter, arbeiten in der Kooperative Corporación Minera de Bolivia (COMIBOL) in der Hoffnung, sich selbständig zu machen, mit einem eigenen Stollen. Wer mit Glück auf eine Metallader stößt, hat das große Los gezogen und wird reich. Der Glücksgriff, der einigen wenigen Kumpel ein Leben in Wohlstand beschert hat, motiviert genauso zum weitermachen wie die vergleichsweise hohen Löhne, die ein erfahrener Minenarbeiter in Bolivien erhält. Jedermanns Traum vom Aussteigen erledigt sich meist durch eine schwere Krankheit von selbst.
Aus dem Stollen um die Welt
Die 33 Helden aus Copiapó haben jetzt andere Berufe. Stattliche 31.000 Dollar Honorar verlangt der Bolivianer Carlos Mamani, einziger Ausländer unter den Geretteten, für ein Interview. Einladungen aus aller Welt treffen bei ihm und seinen Mitstreitern ein. Gemeinsam traten die 33 ehemaligen Mineros in einer CNN-Show in Los Angeles auf. Von den USA ging es weiter nach England zu einem Spiel von Manchester United, es folgten Spanien, Griechenland und Israel. Die „Kumpels“ umrunden die Welt.
Omar Reygadas, ein eher zurückhaltender Held, kündigte an, dass er zu seinen ehemaligen Kollegen zurückkehren wolle. Während der Rettungsaktion standen sie neben dem chilenischen Präsidenten, den Helfern und den Angehörigen und hielten selbst gemalte Plakate mit der Aufschrift „San Esteban: Wir sind nicht 33, wir sind 300!“ in die Kameras. Entschädigungszahlungen fordern die heute Arbeitslosen, bessere Sicherheitsvorkehrungen und Mitspracherechte. Rechte, die bisher weder Chile noch Bolivien seinen Arbeitern gewährt. Dabei liegt es fast vierzehn Jahre zurück, dass die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) eine Konvention für mehr Sicherheit der Minenarbeiter veröffentlichte. 24 Nationen haben bisher unterzeichnet. Präsident Sebastian Piñera kündete nach dem Unglück bei einem Staatsbesuch in London die Unterschrift Chiles an. Obwohl es die Firmen sehr viel mehr Geld kosten werde, fügte er im Sinne der Unternehmer hinzu.
Manfred Warda, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Chemie-, Energie-, Bergbau- und Fabrikarbeitergewerkschaften (ICEM) aus Genf sieht das Abkommen aus einer anderen Perspektive: „Wenn viele der in der ILO-Konvention 176 aufgestellten Regeln in Chile in Kraft und berücksichtigt wären, dann hätte das Unglück in der San Esteban-Mine in San Jose vermieden werden können”, kommentierte er.
Auch Ivan Tóro, Bergarbeiter aus der Mine in San Antonio, Nachbarort der Unglücksstelle, sieht die Dinge anders. Er verlor 2001 bei einer Sprengung ein Bein, gewann den Prozess gegen die Firma und lebt heute von einer kleinen Rente. „Jeder tote Bergarbeiter, jeder tödliche Unfall führt zu einer kurzen, aber heftigen Debatte mit den Betreibern und bringt eine kleine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Das ist der Preis den wir zahlen“, erklärt Tóro. Zwischen 2009 und 2010 starben allein im Cerro Rico 21 Arbeiter an den Folgen der Schwerstarbeit.
Immerhin brummen währenddessen die Geschäfte der geretteten Dreiunddreißig. Hollywood-Produzenten verhandeln mit ihrer Agentur über die Filmrechte an einer Heldensaga, mindestens achtzig Prozent der Einkünfte sollen an eine so genannte Kumpel-AG fließen. Sie haben Glück nach dem Unglück: ihre Qualen unter Tage werden so zumindest zu barem Geld.
Der Bolivianer Carlos Mamani war noch nie in Potosí. Er lebt weiterhin mit seiner Frau und der kleinen Tochter in der Atacamawüste. Obwohl er in Bolivien residieren und stolz wie Oskar sein könnte. Höchstpersönlich besuchte der bolivianische Präsident Morales ihn im Krankenhaus, bot einen Rückflug in der Präsidentenmaschine, Arbeit und Geld. Aber Mamani lehnte ab. Er leidet unter seinem Trauma, in eine Mine will er nie wieder zurückkehren. Er habe einfach zu viel Angst.
In seinem Heimatland, auf der Hochebene von Potosí, befördern Mineros derweil alles, was aus dem Cerro Rico noch zu holen ist. Zukunft ungewiss, Hollywood weit entfernt. Tagtäglich steigen die Männer in ihr staubiges Verließ, kauen, Kokablätter, zählen die Explosionen und hoffen, dass ihnen wenigstens einer hilft: der „Tío“, ein Teufelsmann aus Ton.
Unten mehr über die Minenkinder und den "Berg des Teufels" in Potosí, Bolivia.
http://www.thedevilsminer.com/index_new.html
400 Jahre Schwefel, Staub, Schweiß und Tod: Die Minen von Potosí
von S. König
Im Oktober 2010 blickte die Welt gespannt auf einen Berg in der Atacamawüste. Mit imposantem Druck fräst sich dort ein Stahlbohrer ins Gestein. Eine raketenförmige Kapsel will man hinablassen und 33 verunglückte Minenarbeiter ans Tageslicht zurück holen. Lange ist nicht klar, ob der Bohrer überhaupt zum Schutzraum in 700 Metern Tiefe vordringen kann.
Draußen vor dem Berg spielen sich bewegende Szenen ab. Rund 3000 Menschen warten da. Sie weinen, singen, recken Fäuste in die Luft und rufen nationale Parolen. Wie einen Triumph feiert die Menge, unter ihnen der chilenische Präsident Sebastian Piñera, jede einzelne der mühsamen Bergungen. Die Geretteten sind jetzt Helden, ausgestattet mit UV-dichten Oakley Sonnenbrillen, gesponsort aus den USA. Das Geschäft mit der Katastrophe beginnt schon vor der Rettung. Reporter aus aller Welt erhoffen sich ein Interview, an den Fernsehbildschirmen verfolgen Millionen Zuschauer das Wiedersehen der Familien. Auch das Bergbauunternehmen achtet nicht aufs Bankkonto, wenn es um das Wohl der eigenen Belegschaft geht. So scheint es zumindest auf den ersten Blick. Doch schnell wird klar, dass die jetzt offiziell insolvente Firma das 14,5 Millionen Euro teure Rettungsmanöver nur bezahlte, weil die Welt zusah. Eigentlich ist die Realität in Potosí eine ganz andere. Ohne Medienvertreter vor Ort kümmert sich kaum jemand um das Wohlergehen der Bergleute. In Chiles Nachbarland berichten Mineros von fehlender Schutzkleidung, giftigen Dämpfen und tausenden Toten. 4200 Meter über dem Meeresspiegel liegt die berüchtigste aller Minen. Es ist die Silbermine von Potosí, der höchst gelegenen Stadt der Erde. Einst Synonym für Dekadenz und Wohlstand symbolisiert die „Mine des Teufels“ heute Schwefel, Staub, Schweiß und Tod. Achtzig Millionen Menschen habe der Berg bei lebendigem Leibe verschluckt, erzählt man sich.
Potosí: Einst Schatztruhe, jetzt Armenhaus
Seit über 400 Jahren befördern die Minenarbeiter in Potosí Silber, Kupfer und Zinn aus dem Cerro Rico. Erhaben ruht der Berg seit jeher über dem bolivianischen Land. Dünn ist die Luft hier oben, klar das Licht, reich an Silber das Gestein. Einst war Potosí fast so wohlhabend wie Paris, beinahe so reich wie London. Kaiser Wilhelm ernannte die Stadt 1553 zur „villa imperial“ mit kaiserlichen Wappen, die Spanier betrachteten den Ort als königliche Silbertruhe, aus der sie sich mit vollen Händen bedienten. Sie zwangen die Indios zu blutiger Zwangsarbeit, bauten mondäne Paläste, vergoldeten Kirchtürme und verlegten Pflastersteine aus echtem Silber. Im Geldrausch zog es mindestens 100.000 Abenteurer hierher. Die Stadt war berüchtigt für ein wildes Nachtleben, für unzählige Kneipen und Bordelle in prächtigen Kolonialbauten. Damals, im achtzehnten Jahrhundert, als der Berg noch nicht ausgeschlachtet und von Sprengungen durchlöchert war. Heute breitet sich, fernab vom Stadtkern, der Schatten der Berge über karge Hütten aus. Von der reichsten Silbermine der Welt sind nichts weiter als trübe Mischungen aus Zinn, Silber und Eisen geblieben, reines Edelmetall findet sich schon lange nicht mehr. Potosí zählt zu den ärmsten Regionen überhaupt. Vor allem die „Mineros“ leben, arbeiten und sterben mit dem Cerro Rico, ihr Wohlstand ist abhängig vom Bergbau und vom Tourismus. Seit Generationen glauben sie an den Tío, die Teufelsgestalt, der im Innern des Berges wohnt und über Leben und Tod bestimmt. Wird der Tío zornig, lässt er das Gestein explodieren, tötet die Mineros und isst ihre Seele.
Die Angst vor dem Tío begann, als die Spanier 1545 in Potosí einfielen. Sie schickt der Himmel, dachten die Indios über die weißen Männer, die auf Pferderücken thronten, ein Blutbad anrichteten und Befehle gaben. Doch das, was die neuen Herrscher von ihnen verlangten, die schwere Arbeit in der Dunkelheit des Berges, war ihnen ein Graus. Sie wollten nicht in der Tiefe ihres Berges schuften, den sie ehrfurchtsvoll Sumaj Orcko, Majestätischer Berg, nannten. Zwanzig Stunden Zwangsarbeit mit bloßen Händen, zwischen giftigen Dämpfen, ohne den Anblick der Sonne und der Wolken, Staub, Hitze und Durst ließen die Hochlandbewohner zu Tausenden sterben. Um Druck auszuüben zeigten die Spanier ihnen eine Figur mit einem Teufelsgesicht, den angeblichen Herrscher des Cerro Rico, und drohten mit der Rache des Dämons. Dieser Gott werde jeden bestrafen, der sich bei der Verrichtung der Arbeit nicht anstrenge. Aus Díos, spanisch für Gott, wurde „Tío“, und aus dem Cerro Rico ein tödliches Schicksal. Achtzig Jahre später bekam der Berg einen neunen Namen: Wuila Ckollo. Bluthügel.
Potosí um 1900: "Zinnbarone" im Silberrausch
Mit dem Silber, das die Mine seit ihrer Entdeckung schon abgeworfen hat, könnte man eine silberne Brücke von Bolivien bis nach Spanien bauen, erzählt man sich. Besonders drei Geschäftsmänner erlangten in der Blütezeit des Handels Berühmtheit. Sie verdienten nach der Unabhängigkeitserklärung Boliviens, 1825, mit den metallenen Adern Millionen. „Zinnbaronen“ nannte man den Chilenen Mauricio Hoschild, den aristokratischen Bolivianer Carlos Armayo und den ehemaligen Minenarbeiter Simon Patino. Zusammen besaßen sie mehr Geld als die bolivianische Regierung jemals zur Verfügung hatte. Von ihrem Gewinn blieb im Landesinneren nur einen lächerlicher Kleinstbetrag, lieber schafften sie ihr Geld ins Ausland. Hoschilds verlegte den Sitz seiner Firma nach Chile, Patinos in die USA und Armayo verwaltete sein Vermögen in der Schweiz. Fünfzig Dolllar Miete zahlte Patino an die bolivianische Regierung pro Jahr, Aramayo zahlte 22 Dollar, Hoschild nichts. In ihren üppig ausgestatteten Anwesen speisten Könige und Staatsoberhäupter, der bolivianische Kanzler erhielt traditionsgemäß ein staatliches Monatsgehalt von den Minenbesitzern. Märchenhaft sollen die goldenen Zeiten vor allem für diese drei Minenbesitzer gewesen sein.
Die Minenkinder: Schwerstarbeit für Hungerslöhne
Am Rhythmus des Lebens hat für die einfachen Arbeiter sich seitdem wenig verändert in Potosí. Sie stehen auf im Schatten des Berges, steigen hinab in seine Dunkelheit, schuften schwer in Staub und Enge, kauen Kokablätter und beten, dass der Tío sie mit tödlichen Explosionen verschonen möge. Noch heute ist der Mythos allgegenwärtig, an allen 3000 Mineneingängen lauert die Tonfigur des Teufels und macht vor allem den Kleinsten Angst. Auch wenn sie gesagt kriegen, dass der Tío sie beschützt und nur die bestraft, die nicht gut aufpassen. Über zweitausend Kinder arbeiten für drei, maximal fünf Euro Tagesgeld in Potosís Minen. Auf tonnenschweren Loren hieven sie von acht Uhr früh bis fünf Uhr nachmittags Mineral aus der Mine, beladen Körbe mit Geröll oder bereiten Dynamit für die Sprengung der Bergwand vor. Einstürze, Explosionen, Vergiftung mit Schwermetallen und verseuchtes Wasser vermindern die Lebenserwartung der Kinder auf durchschnittlich zehn Jahre ab dem Zeitpunkt des ersten Arbeitstages. Kinderarbeit ist seit 1995 im bolivianischen Geschäftswesen zwar offiziell verboten, doch in den Tiefen des Berges herrschen andere Gesetze.
Noch nicht einmal vor den Touristen, die seit einigen Jahren einen Teil der Stollen besichtigen, verstecken die Bergbaugesellschaften ihre minderjährigen Angestellten. Geschenke sollen ihnen die Besucher mitbringen, so die Ankündigung vor der Tour. Auf dem „Mercado de los mineros“ gibt es alles, was ein Minero täglich bei sich trägt: Kokablätter, Alkohol Softdrinks, starke Zigaretten und – vor allem - Dynamit. Touristen begeistern sich für die mit Sprengstoff gefüllten Papierstangen, die es sonst nirgendwo anders auf der Welt problemlos zu kaufen gibt. Hier kriegt man sie für ein paar Cent als Urlaubsknaller - für jung und alt. Mittlerweile kommen jedes Jahr tausende Touristen nach Potosí, der Tourismussektor erwirtschaftet fünf Prozent des bolivianischen Bruttosozialprodukts und ermöglicht einigen Potosianer ein lukratives Geschäft. Die Extremerfahrung der Minenbesichtigung reizt viele Reisende, fasziniert oder schockiert, kalt lässt die Welt unter Tage sowieso niemanden. Beklemmung Hitze und Dunkelheit bringen den Besucher an körperlichen Grenzen und führen vor allem eines vor Augen: wie schön das Leben unter freiem Himmel sein kann.
Minenkinder fühlen die Beklemmung Tag für Tag. In dem klaustrophobischen Labyrinth aus Geröll und Sickwasser müssen selbst sie sich krümmen, Staub und hohe Luftfeuchtigkeit benetzen die Haut und trocknen die Kehle aus. Kokablätter kauen, das lernen sie von kleinauf. Sogar ihr Präsident Evo Morlaes empfiehlt die hier wachsenden Kokablätter als nahrhafte Volksspeise, auch für Schüler. Ob nahrhaft oder nicht, sie dahingestellt. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die enthaltenden Alkaloide Erschöpfung, Angst und Durst mindern, die Sauerstoffaufnahme des Körpers verbessern und den Körper mit Nährstoffen versorgen. Knochenarbeit lässt sich damit besser aushalten. Und der Name täuscht. Zwar enthalten die Blätter Kokain, aber nur in einem schwindend geringen Anteil. Selbst die kleinen Kinder tragen ein Tütchen mit Kokablättern bei sich. Die Arbeit ist eine Qual, die Mütter leiden, weil ihre Kinder keine andere Wahl haben. Oberhalb des Zentrums von Potosí, nahe der Mine, organisieren sich deswegen Potosís Frauen mit Hilfe mit einer internationalen Organisation, die Essen, Stipendien und Schulunterricht bietet. Ihre Hoffnung: eine Ausbildung und ein Leben jenseits der Mine.
Einmal Minero, immer Minero
Die Väter der Minenkinder konnten keine Schule besuchen. Als „Carreros“ bringen sie in drei Schichten das Mineral auf tonnenschweren Karren aus dem Inneren des Berges, bereiten als „Perforistas“ bereiten die Sprengung vor oder meißeln als „Wincheros“ Silber, Blei, Zink und Zinn aus den tiefsten Ebenen. 55 Jahre – älter wird ein Minero im Durchschnitt nicht. Siebzig Mineros sterben in bolivianischen Minen pro Jahr an den Folgen fehlender Schutzkleidung, fehlender Gasmasken oder an körperlicher Erschöpfung.
Das Einatmen von Siliziumpulver, Quecksilber-, Arsengas und Schwefeldämpfe, Höhenunterschiede, Temperaturwechsel und feuchte Luft hinterlassen gravierenden gesundheitlichen Schaden. Die meisten Mineros erkranken an der Staublungenkrankheit Silikose, einer Gewebsveränderung mit schwarzen Verfärbungen der Lunge. Wird die Krankheit nicht ausreichend behandelt, kommt es zu Atemnot und Herzbeschwerden.
Bis auf vierzig Grad heizt sich die Luft im Stollen auf, kniehoch sammelt sich an manchen Stellen das Wasser, die Wände messen weniger als einen Meter Höhe. Wegen der Hitze und der sowieso schon schlechten Luft verzichten die Männer lieber auf ein Tuch, das ihren Atemwege vor den Giftgasen schützen könnte. Gegen herunter stürzende Felsbrochen tragen sie nur einen Helm, mehr Ausrüstung stellt ihnen ihr Bergarbeitsunternehmen nicht zur Verfügung. Noch fünf bis zehn Jahre werden die Mineros Mineraladern in der berüchtigten Mine von Potosí finden können, meinen Experten. Dann ist der Berg endgültig ausgehöhlt.
Ob Potosí sich in eine gigantische Geisterstadt verwandelt und wie ihr Leben danach aussehen soll, weiß keiner so recht. Die Mineros machen erst einmal weiter, arbeiten in der Kooperative Corporación Minera de Bolivia (COMIBOL) in der Hoffnung, sich selbständig zu machen, mit einem eigenen Stollen. Wer mit Glück auf eine Metallader stößt, hat das große Los gezogen und wird reich. Der Glücksgriff, der einigen wenigen Kumpel ein Leben in Wohlstand beschert hat, motiviert genauso zum weitermachen wie die vergleichsweise hohen Löhne, die ein erfahrener Minenarbeiter in Bolivien erhält. Jedermanns Traum vom Aussteigen erledigt sich meist durch eine schwere Krankheit von selbst.
Aus dem Stollen um die Welt
Die 33 Helden aus Copiapó haben jetzt andere Berufe. Stattliche 31.000 Dollar Honorar verlangt der Bolivianer Carlos Mamani, einziger Ausländer unter den Geretteten, für ein Interview. Einladungen aus aller Welt treffen bei ihm und seinen Mitstreitern ein. Gemeinsam traten die 33 ehemaligen Mineros in einer CNN-Show in Los Angeles auf. Von den USA ging es weiter nach England zu einem Spiel von Manchester United, es folgten Spanien, Griechenland und Israel. Die „Kumpels“ umrunden die Welt.
Omar Reygadas, ein eher zurückhaltender Held, kündigte an, dass er zu seinen ehemaligen Kollegen zurückkehren wolle. Während der Rettungsaktion standen sie neben dem chilenischen Präsidenten, den Helfern und den Angehörigen und hielten selbst gemalte Plakate mit der Aufschrift „San Esteban: Wir sind nicht 33, wir sind 300!“ in die Kameras. Entschädigungszahlungen fordern die heute Arbeitslosen, bessere Sicherheitsvorkehrungen und Mitspracherechte. Rechte, die bisher weder Chile noch Bolivien seinen Arbeitern gewährt. Dabei liegt es fast vierzehn Jahre zurück, dass die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) eine Konvention für mehr Sicherheit der Minenarbeiter veröffentlichte. 24 Nationen haben bisher unterzeichnet. Präsident Sebastian Piñera kündete nach dem Unglück bei einem Staatsbesuch in London die Unterschrift Chiles an. Obwohl es die Firmen sehr viel mehr Geld kosten werde, fügte er im Sinne der Unternehmer hinzu.
Manfred Warda, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Chemie-, Energie-, Bergbau- und Fabrikarbeitergewerkschaften (ICEM) aus Genf sieht das Abkommen aus einer anderen Perspektive: „Wenn viele der in der ILO-Konvention 176 aufgestellten Regeln in Chile in Kraft und berücksichtigt wären, dann hätte das Unglück in der San Esteban-Mine in San Jose vermieden werden können”, kommentierte er.
Auch Ivan Tóro, Bergarbeiter aus der Mine in San Antonio, Nachbarort der Unglücksstelle, sieht die Dinge anders. Er verlor 2001 bei einer Sprengung ein Bein, gewann den Prozess gegen die Firma und lebt heute von einer kleinen Rente. „Jeder tote Bergarbeiter, jeder tödliche Unfall führt zu einer kurzen, aber heftigen Debatte mit den Betreibern und bringt eine kleine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Das ist der Preis den wir zahlen“, erklärt Tóro. Zwischen 2009 und 2010 starben allein im Cerro Rico 21 Arbeiter an den Folgen der Schwerstarbeit.
Immerhin brummen währenddessen die Geschäfte der geretteten Dreiunddreißig. Hollywood-Produzenten verhandeln mit ihrer Agentur über die Filmrechte an einer Heldensaga, mindestens achtzig Prozent der Einkünfte sollen an eine so genannte Kumpel-AG fließen. Sie haben Glück nach dem Unglück: ihre Qualen unter Tage werden so zumindest zu barem Geld.
Der Bolivianer Carlos Mamani war noch nie in Potosí. Er lebt weiterhin mit seiner Frau und der kleinen Tochter in der Atacamawüste. Obwohl er in Bolivien residieren und stolz wie Oskar sein könnte. Höchstpersönlich besuchte der bolivianische Präsident Morales ihn im Krankenhaus, bot einen Rückflug in der Präsidentenmaschine, Arbeit und Geld. Aber Mamani lehnte ab. Er leidet unter seinem Trauma, in eine Mine will er nie wieder zurückkehren. Er habe einfach zu viel Angst.
In seinem Heimatland, auf der Hochebene von Potosí, befördern Mineros derweil alles, was aus dem Cerro Rico noch zu holen ist. Zukunft ungewiss, Hollywood weit entfernt. Tagtäglich steigen die Männer in ihr staubiges Verließ, kauen, Kokablätter, zählen die Explosionen und hoffen, dass ihnen wenigstens einer hilft: der „Tío“, ein Teufelsmann aus Ton.
- Nach Schätzungen des Internationalen Verbands der Bergbaugewerkschaften kommen jedes Jahr mindestens 12 000 Bergleute weltweit bei ihrer Arbeit ums Leben.
- En Bolivia mueren como 70 mineros por año indefectiblemente según observaciones de los propios del sector.
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